Erdöl ist der Energieträger des 20. Jahrhunderts. Erst vor etwa 150 Jahren begann am Kaukasus, in Europa und in den USA etwa zeitgleich das „Erdölzeitalter”. Über viele Jahrhunderte zuvor wusste man mit dem schwarzen „Zeug”, das an manchen Orten an die Oberfläche trat oder bei Brunnenbohrungen zum Vorschein kam, überhaupt nichts rechtes anzufangen.

Es begann im fernen Galizie

Die Region Galizien bildet das Vorland der östlichen Karpaten und war von 1773 bis 1918 Teil der österreichisch-ungarischen Monarchie. Seit 1945 gehört der Ostteil zur Ukraine, der Westteil zu Polen.

Am Nordabhang der Waldkarpaten um die Stadt Boryslaw bei Drohobytsch (heute Ukraine) sowie bei Krosno (heute Polen) reichen Vorkommen an Kohlenwasserstoffen bis sehr nahe an der Erdoberfläche. Mehrere daraus resultierende Naturerscheinungen dieser Gegend waren berühmt, wie z.B. das ewige Feuer von Belkotká. Hier entströmte Erdgas einer natürlichen brom- und jodhaltigen Solequelle und verbrannte an der Wasseroberfläche der Quelle. In der Gegend gab es noch mehrere derartige Gasquellen. In Lisna Slobidka ca. 10 km nordwestlich der Stadt Kolomea gibt es auch heute noch ein „ewiges Feuer“ durch natürlich austretendes Erdgas.

Bei Brunnengrabungen stieß man außerdem immer wieder auf Öl und Erdwachs, einer Erscheinung, die weltweit nur in Galizien in großen Mengen vorkam. Unter Erdwachs versteht man einen natürlichen Verdunstungsrückstand von Erdöl, der weitgehend aus Paraffin besteht und daher eine gelblich bis braune Farbe besitzt.

Die kommerzielle Ölgewinnung aus händisch gegrabenen Sickergruben ist in dieser Gegend seit dem 16. Jahrhundert überliefert. Das aus den Gruben geschöpfte Öl gelangte als Schmiermittel und Arzneimittel in weiter Teile Europas. Weiters wurde es z.B. in der Stadt Krosno zur Straßenbeleuchtung verwendet. Leider handelte es sich bei diesem Sickeröl um eine hochviskose, klebrige Flüssigkeit, die beim Verbrennen stark rußte und einen üblen Geruch verbreitete.

Die Triebkraft der Petroleumlampe

Im Zuge der beginnenden Industriealisierung Anfang des 19. Jahrhunderts erregte das Mineralöl aus der Tiefe überregionale Aufmerksamkeit. Zunächst war es der k.k. provisorische Salinen-Kontrollor und Bergverwalter Joseph Hecker aus Prag, der zusammen mit Johann Mitis 1810 bis 1817 in Truskawez, südlich von Drohobytsch, eine Destillationsfabrik für Naphtha betrieb, um Leuchtöl herzustellen, das zunächst in Drohobytsch sowie in den Salzminen der Region Verwendung fand. Hecker wollte auch in Prag eine Straßenbeleuchtung unter Verwendung seinen Petroleums realisieren, doch infolge unzuverlässiger Lieferungen über die schlechten Straßen und des sich daraus ergebenden Schadenersatzprozesses scheiterte das Projekt.

Der polnische Apotheker Jan Zeh war der nächste, der sich einer weiter reichenden Nutzung des Naphthas annahm. Schon als Lehrling in einer Apotheke lernte er 1830 das Erdöl kennen. Er erfuhr von einem Destillationsapparat, mit dem ein Destillat als Medizin für Schafe hergestellt wurde. Nach seinem Studium der Pharmazie in Wien ging er 1847 nach Lemberg (heute Lwiw, Ukraine), wo er in Apotheke „Unter dem goldenen Stern“ arbeitete.

In Drohobytsch beschäftigten sich zwei jüdische Geschäftsleute, Abraham Schreiner und Leib Stiermann mit der Verkochung von Bergteer, wie das oberirdisch gewonnene Öl auch genannt wurde, zu Wagenschmiere. Schreiner versuchte auch Erdöl zu destillieren und brachte sein trübes, stinkendes, grünliches Destillat in die Apotheke „Unter dem goldenen Stern“ nach Lemberg. Der Besitzer der Apotheke Piotr Mikolasch erwarb 1852 ein chemisch-pharmazeutischen Labor, in dem Zeh mit Ignacy Łukasiewicz zusammentraf, was sich in der Folge als sehr produktiv erwies.

Jan Józef Ignacy Łukasiewicz war Chemiker und Apotheker in Jaslo. Während seines Studium der Pharmazie an der Jagiellonen-Universität in Krakau arbeitete er im Labor der Alaun-Fabrik in Dabrowa. Dabei lernte er das in der Gegend von Krosno in Sickergruben gewonnen Erdöl kennen und kam zur Erkenntnis, dass sich ein aus Erdöl gewonnenes Destillat hervorragend als Ersatz für das bis dahin in Öllampen verwendete Walöl eignete. Bislang scheiterten jedoch zahlreiche Versuche vor allem an der mangelnden Qualität des Destillats.

Um einen sauberen Brennstoff zu erhalten, begannen Zeh und Łukasiewicz, nach einem vom Kanadier Abraham Gesner entwickelten Destillationsverfahren klares, dünnflüssiges Petroleum herzustellen. Nach mehreren misslungenen Versuchen, die neue Substanz in herkömmlichen Öllampen zu verbrennen, entwickelte Łukasiewicz mit Unterstützung des Blechschmieds Adam Bratkowski 1853 den ersten Prototypen einer für den neuen Brennstoff optimierter Petroleumlampe.

Ein einschneidendes Ereignis für die neue Entwicklung folgte am 31. Juli 1853. Łukasiewicz wurde an diesem Tag in das Piaristen-Krankenhaus von Lemberg gerufen, um mit einer seiner Petroleumlampen bei einer Blinddarm-Operation für Licht zu sorgen. Vom hellen, sauberen Licht beeindruckt, bestellte das Krankenhaus bei Łukasiewicz mehrere Lampen und 500 Liter Petroleum.

Am 23. November 1853 gingen Łukasiewicz und Zeh gemeinsam zum kaiserlichen Statthalter in Lemberg, um das Patent Nr. 399 anzumelden. Dabei ging es jedoch darum, um Paraffin-Kerzen aus Erdöl zu erzeugen. Am 2. Dezember 1853 meldete Jan Zeh das Destillationsverfahren für Erdöl mit der Nr. 400 zu Patent an. Łukasiewicz dagegen hat sich die Petroleumlampe nie patentieren lassen.

Schon bald wurden Petroleumlampen von Fabriken massenweise hergestellt, darunter in Wien, Paris, Prag, Berlin, Leipzig und in den USA. Łukasiewicz zog noch 1853 nach Gorlice, pachtete eine Apotheke und widmete sich weiter der Verbesserung der Petroleumlampe. Nach erfolgreichen Versuchen erhielt 1854 Gorlice die erste Straßenbeleuchtung mit Petroleumlampen.

Für die rasch zunehmende Anzahl an Petroleumlampen reichte die Ölproduktion der seichten Sickergruben in der Region um Krosno und Boryslaw bald nicht mehr aus. 1854 schlossen sich Titus Trzecieski und Mikolaj Klobassa mit Łukasiewicz zusammen, um bei der Ortschaft Bóbrka (etwa 10 km südwestlich von Krosno) ein „Ölbergwerk“ zu errichten. Das Öl wurde dabei aus 30 bis 150 m tiefen händisch gegrabenen Schächten geschöpft, wobei das Öl aus den tieferen Schichten leichter und somit besser für die Erzeugung von Leuchtpetroleum geeignet war. 1868 gab es in Bobrka 60 solcher Förderschächte.
Die Vorkommen lagen in 3 voneinander etwa 150 km entfernt liegenden Gebieten um die Städte Jaslo (40 km südöstlich Rzeszów), Boryslaw (70 km südwestlich von Lemberg) und Kolomea (70 km nordwestlich von Czernowitz). In den Folgejahren konzentrierte sich die Ölförderung vor allem auf die Vorkommen bei Boryslaw.

Eine weltweit einmalige Besonderheit Galiziens waren die reichen Vorkommen von Erdwachs (Ozokerit), speziell um die Stadt Boryslaw. Dabei handelt es sich um natürliche verharzte Rückstände paraffinreicher Erdöle.

Das mit Erdwachs durchtränkte Gestein, Lep genannt, wurde händisch in bis zu 250 m tiefen Schächten abgebaut. Der Lep wurde anschließend mit Hilfe von Dampf geschmolzen, das Wachs abgetrennt und in runde Formen gegossen. Diese Kuchen wurden dann mittels Chemikalien gereinigt und zu Ceresin und Paraffin weiterverarbeitet. Neben der Kerzenherstellung war die frühe Elektroindustrie, welche daraus Kabelisolierungen herstellte, der wichtigste Abnehmer.

Allein zwischen 1860 und 1865 entstanden in und um Boryslaw herum rund 4.000 händisch gegrabene Schächte zur Gewinnung von Erdöl und Erdwachs. Aufgrund der primitiven Abbaumethoden und der Zersplitterung in viele Kleinunternehmen waren die Arbeitsbedingungen in den Ölgruben jedoch katastrophal, was zu vielen Todesfällen führte. Regelmäßig kam es auch zu Sreiks der Bergarbeiter, ehe staatliche Verordnungen die Arbeitsbedingungen etwa zu bessern vermochten. Die Situation besserte sich jedoch erst nachhaltig, als Großunternehmen auftraten und mit moderner Abbautechnik die Gewinnung wesentlich effizienter gestalten konnten. Zudem machte der Raubbau an den seicht liegenden Vorkommen die Förderung oft schon nach wenigen Jahren unwirtschaftlich. Die Erschließung tiefer liegender Lagerstätten war jedoch nur den großen Unternehmen möglich.

Quelle